DIE SIEBEN TODSÜNDEN DER GRAFIK - comito.at

DIE SIEBEN TODSÜNDEN DER GRAFIK

No Gos im Grafikdesign

Kei­ne Sor­ge. Hier geht es nicht um Reli­gi­on. Zumin­dest nicht im her­kömm­li­chen Sin­ne. In den fünf Jah­ren, die ich auf der Gra­phi­schen ver­brin­gen durf­te, habe ich näm­lich nicht nur gelernt, was gutes Design aus­macht, son­dern vor allem auch, was ich tun­lichst zu ver­mei­den habe, um kei­ne Schan­de über mei­nen Berufs­stand zu brin­gen.

  • Der Schrift­sa­lat

Eine Grund­re­gel der Typo­gra­phie lau­tet: Ver­wen­de für eine Arbeit nicht mehr als zwei bis maxi­mal drei Schrift­ar­ten. Eine Viel­zahl an Schrif­ten ver­wirrt das Auge und ver­mit­telt das Gefühl von Unent­schlos­sen­heit und Unru­he. Somit gilt:  Wäh­le ein bis zwei Schrift­fa­mi­li­en aus und füh­re das Auge der Leser bewusst durch den Ein­satz von ver­schie­de­nen Schrift­stär­ken durch das Design.

  • Fal­sche Farb­kom­bi­na­tio­nen

Natür­lich gilt auch bei den Far­ben: Geschmä­cker sind ver­schie­den. Den­noch soll­te man sich nicht allein auf sein sub­jek­ti­ves Emp­fin­den ver­las­sen und bei der Krea­ti­on einer Farb­pa­let­te lie­ber den Farb­kreis und die damit ver­bun­de­ne Far­ben­leh­re im Hin­ter­kopf behal­ten. So kön­nen Kom­ple­men­tär­far­ben wie Oran­ge und Blau, wel­che häu­fig in Film­pla­ka­ten ein­ge­setzt wer­den, durch ihren Kon­trast Span­nung erzeu­gen und das Auge bin­den. Eine oran­ge Schrift auf blau­em Hin­ter­grund glei­cher Hel­lig­keit und Farb­in­ten­si­tät wirkt jedoch äußert unan­ge­nehm auf das Auge und erschwert das Lesen unge­mein.

  • Logos als Ras­ter­gra­fik anle­gen

Hilf­reich ist es auch zu wis­sen, dass in der Gra­fik zwi­schen Ras­ter­gra­fi­ken (PNG oder JPG) und Vek­tor­gra­fi­ken (z.B. EPS) unter­schie­den wird. Wäh­rend Ras­ter­gra­fi­ken aus einer von ihrer Grö­ße abhän­gi­gen Anzahl an Bild­punk­ten bestehen, deren Ver­grö­ße­rung zwangs­läu­fig irgend­wann zu einem ver­pi­xel­ten End­ergeb­nis führt, spei­chert eine Vek­tor­gra­fik die Infor­ma­ti­on über die Ver­bin­dung von Punkt A zu Punkt B ab. Somit hat die Vek­tor­gra­fik den Vor­teil, in jeder belie­bi­gen Grö­ße, vom Han­dy­bild­schirm bis hin zur Rekla­me­ta­fel immer gesto­chen scharf zu blei­ben. Dem­zu­fol­ge wäre es ein gro­ber Feh­ler, ein so viel­sei­tig genutz­tes Ele­ment wie ein Logo nicht von Beginn an als Vek­tor­gra­fik anzu­le­gen.

  • Stre­ckung von Bild und Text

Oft­mals kommt es in einem Gra­fikerle­ben vor, dass sich ein Bild nicht ganz so wie erwünscht in das Design­for­mat ein­fügt. Die ein­fachs­te, aber gleich­zei­tig ver­hee­rends­te Lösung dafür ist es, ein Ele­ment hori­zon­tal oder ver­ti­kal zu stre­cken. Das Ergeb­nis sind oft befremd­lich kur­ze Bei­ne und Ober­kör­per sowie schwer les­ba­re Wör­ter, deren typo­gra­phi­sches Gesamt­bild zer­stört wur­de. Ästhe­tisch ver­tret­bar lässt sich die­ses Pro­blem durch eine Beschnei­dung der Bil­der mit dem Rah­men­tool lösen, wäh­rend bei Schrif­ten die Mög­lich­keit der Spa­tio­nie­rung (Ver­än­de­rung des Abstands) zwi­schen ein­zel­nen Buch­sta­ben besteht.

  • Die Miss­ach­tung der visu­el­len Hier­ar­chie

Natür­lich soll­te man als ambi­tio­nier­ter Gra­fi­ker stets ver­su­chen inno­va­ti­ve Wege zu beschrei­ten, um die Betrach­te­rIn­nen in den Bann zu zie­hen. Doch oft­mals geschieht es, dass der Ver­such etwas Außer­ge­wöhn­li­ches zu kre­ieren, nach hin­ten los­geht. Bei­spiels­wei­se soll­te man im Hin­ter­kopf behal­ten, dass die natür­li­che Lese­rich­tung des Auges je nach Kul­tur vari­ie­ren kann. In den meis­ten west­li­chen Län­dern soll­te man sei­ne Tex­te und Gra­fi­ken folg­lich so anord­nen, dass sie mit der ver­brei­te­ten Lese­rich­tung von links nach rechts über­ein­stim­men. Schenkt man der visu­el­len Hier­ar­chie wäh­rend des Gestal­tungs­pro­zes­ses zu wenig Beach­tung, kann es durch­aus zu unlieb­sa­men Fehl­in­ter­pre­ta­tio­nen kom­men.

  • Far­b­räu­me igno­rie­ren

Als Pro­fi ist es unver­zicht­bar, den Unter­schied zwi­schen den Far­b­räu­men RGB und CMYK zu ken­nen. Ers­te­res, auch als addi­ti­ves Farb­mo­dell bekannt, bezeich­net die Bild­schirm­far­ben Rot, Grün und Blau wäh­rend sich CMYK, auch sub­trak­ti­ves Farb­mo­dell genannt, aus Cyan, Magen­ta, Yel­low und Key zusam­men­setzt, wel­che im Druck durch ent­spre­chen­de Mischung die Wunsch­far­be erzeu­gen. Da der CMYK-Farb­raum klei­ner als der RGB-Farb­raum ist, emp­fiehlt es sich bei Print Designs (im Gegen­satz zu Web­de­sign) von Beginn an in CMYK zu arbei­ten, um böse Über­ra­schun­gen nach der Druck­ab­wick­lung zu ver­mei­den.

  • Die Wit­we und der Wai­se

Abschlie­ßend möch­te ich auf eine Gra­fik­sün­de ver­wei­sen, die die meis­ten Typo­gra­phen unter nicht ganz jugend­frei­en Syn­ony­men ken­nen. Als Wit­we oder Huren­kind ist die letz­te Zei­le eines Absat­zes bekannt, die zugleich die ers­te einer neu­en Sei­te ist. Folg­lich han­delt es sich um einen Feh­ler, der den Leserhyth­mus stört und auch ästhe­tisch nicht schön anzu­se­hen ist. Ähn­lich ver­hält es sich mit dem Wai­sen, der auch Schus­ter­jun­ge genannt wird. Der Begriff bezeich­net näm­lich die ers­te Zei­le eines neu­en Absat­zes, die vom Sei­ten­en­de bis zur nächs­ten Sei­te ragt. Bei solch klin­gen­den Bezeich­nun­gen ist es mir natür­lich leicht gefal­len, mir die­se Feh­ler ein­zu­prä­gen und fort­an zu ver­mei­den.

Die hier auf­ge­lis­te­ten Sün­den best­mög­lich zu ver­mei­den, ist jedem zu emp­feh­len. Aber wel­chen Spaß wür­de ein so krea­ti­ver Job wie Gra­fi­ke­rin machen, wenn man nicht hin und wie­der mal etwas Ver­bo­te­nes tun wür­de? Ein Regen­bo­gen­ver­lauf muss halt hin und wie­der sein.

Mein Name ist Cor­ne­lia Kargl, ich bin Gra­fi­ke­rin bei comito und gebe täg­lich mein Bes­tes, um nicht in die Gra­fi­ker-Höl­le zu kom­men.

Donnerstag 6. August 2020