WENN NICHTS MEHR SICHER IST, IST ALLES MÖGLICH - comito.at

WENN NICHTS MEHR SICHER IST, IST ALLES MÖGLICH

Das Leben und der Weg dorthin

Wir leben in einer Zeit unzäh­li­ger Mög­lich­kei­ten – nur wenig ist uns noch wirk­lich vor­ge­schrie­ben. Auf­grund die­ser Mög­lich­kei­ten dür­fen wir uns auch stän­dig für – müs­sen uns aber auch zeit­gleich immer gegen etwas ande­res ent­schei­den.

Was fast immer mit jeder Ent­schei­dung ein­her­geht, ist der Zwei­fel, ob die Wahl auch die Rich­ti­ge war. Wie vie­le Wege blei­ben unent­deckt, wie vie­le Blu­men unge­se­hen, wie vie­le Leben unge­lebt?

In jun­gen Jah­ren fällt uns das Ent­schei­den noch leich­ter. Nicht weil wir uns unse­rer Jugend bewusst wären, wir reflek­tie­ren nur weni­ger und füh­len mehr. Mehr Kraft, mehr Frei­heit, mehr Unbe­fan­gen­heit. Und mehr Ver­ständ­nis von außen – wir sind ja noch jung. Wir haben Träu­me und sind auf dem Weg – erst spä­ter im Leben bemer­ken vie­le von uns, dass Beruf nicht das­sel­be ist wie Beru­fung. Vie­le selbst­re­flek­tier­te Stun­den spä­ter stel­len wir fest, dass unser der­zei­ti­ges Leben so gar nicht das ist, von wel­chem wir einst träum­ten.

Kein Plan ist oft der bes­te Plan!

Woher kommt die Fra­ge nach dem Sinn des Lebens denn plötz­lich? Und wann haben wir eigent­lich ange­fan­gen für etwas zu alt zu sein? Also natür­lich nicht für den Spiel­platz ums Eck, aber für etwas, was wir doch auf unse­rer 'das-muss-ich-noch-machen-bevor-ich-alt-bin-Lis­te' ganz oben ste­hen haben. Die jugend­li­che Leben­dig­keit von einst liegt unter den Ver­pflich­tun­gen und dem All­tag begra­ben. Dort, wo wir gera­de sind, wol­len wir nicht mehr sein. Wir wol­len raus. Nur wie? Wir suchen nach Alter­na­ti­ven und ande­ren Mög­lich­kei­ten. Es ist klar – wir brau­chen den per­fek­ten Plan. Und so pla­nen wir eif­rig vor uns hin wäh­rend Jah­re ver­ge­hen, der All­tag unver­än­dert bleibt und der All­tag, der uns ver­än­dert, bleibt: Wir wur­den am Weg alt. Und füh­len uns gefan­gen. Gefan­gen in unse­ren Leben. Fest­ge­hal­ten von uns selbst und der Angst, die genau­so in unse­rem Kopf ent­steht wie einst unser Mut.

Wenn sich das eige­ne Leben nicht mehr wie eben genau das anfühlt, for­dert es Ver­än­de­rung. Aber wer macht das für uns? Wer ist dafür zustän­dig, an wen kön­nen wir hier ver­trau­ens­voll dele­gie­ren? Schließ­lich sind wir doch mit unse­ren All­tags­auf­ga­ben gut aus­ge­las­tet. Aber was ist es schnell noch mal genau, was man möch­te? Nein, nein das liegt nicht an der auf­kei­men­den Alters­de­menz – wir haben 'es' nur auf dem Weg aus den Augen ver­lo­ren. Schließ­lich hat­ten wir ja auch vie­le Mög­lich­kei­ten. Was wir uns erstaun­li­cher­wei­se oft bes­ser mer­ken, ist, was wir nicht mehr möch­ten. Naja, zumin­dest ein Anfang. Aber eines ist immer sicher: Ist die Tür hin­ter uns erst mal zu, hat bereits etwas Neu­es begon­nen.

Raus aus der Kom­fort­zo­ne!

Haben wir uns dann aus der unstim­mi­gen Situa­ti­on befreit, füh­len wir plötz­lich wie­der. Vor allem Erleich­te­rung. Und wir kön­nen nur schlecht ver­ste­hen, war­um wir uns so lan­ge an der Unzu­frie­den­heit fest- und uns dort auf­ge­hal­ten haben.

Nur, wenn wir unse­re Kom­fort­zo­ne ver­las­sen, wer­den wir uns selbst begeg­nen. Wir müs­sen sprin­gen. Wir dür­fen zögern, hadern, zap­peln und schrei­en, aber schon im frei­en Fall wis­sen wir, wir haben es gewagt und füh­len uns gut. Wir haben etwas gewagt. Wir sind für uns ein- und gera­de gestan­den und haben den Mut über die Angst gestellt. Wir haben uns und der Welt ver­traut.

Das Leben in der Kom­fort­zo­ne ist bequem und unauf­ge­regt. Und sicher. Wir sind kran­ken-, unfall- und arbeits­lo­sen­ver­si­chert. Dem Sozi­al­staat und unse­ren Vor­fah­ren sei Dank. Es möch­te ja auch nie­mand aus dem Leben geris­sen wer­den und von vor­ne begin­nen müs­sen. Doch selbst, wenn es so wäre, wür­de ich mir eines ganz bestimmt wün­schen: dass ich bis dahin Ent­schei­dun­gen selbst getrof­fen habe, aus der Fül­le der gege­be­nen Mög­lich­kei­ten, die ich zuvor hat­te. Und dass ich mein Leben nach mei­nen Vor­stel­lun­gen gelebt und geliebt habe.

Ler­ne zu ver­trau­en!

Wir ver­ges­sen also den per­fek­ten Plan und beschlie­ßen plan­los ver­trau­en zu ler­nen. Uns selbst, dem Leben und der Schöp­fung (ist die viel­leicht auch für die Sinn­fin­dung ver­ant­wort­lich?). Wenn uns die der­zei­ti­ge Situa­ti­on nur unglück­lich sein lässt, kann es schließ­lich mit jeder Ver­än­de­rung nur bes­ser wer­den.

Es ist die­ser unbän­di­ge Wunsch nach ver­meint­li­cher Sicher­heit, der uns an das Seil klam­mern lässt, das uns die Luft zum Atmen nimmt. Wenn wir bereit sind unser Glück und unse­re Gesund­heit wich­ti­ger zu neh­men als die­se Sicher­heit, müs­sen wir los­las­sen und ver­trau­en ler­nen. Wir fal­len nicht tie­fer als in Got­tes Hand.

Mach, was dich glück­lich macht!

Wir haben das Pri­vi­leg, in einer Zeit zu leben, in der es so vie­len von uns gut geht. So gut, dass wir uns die Sinn­fra­ge stel­len dür­fen und die Chan­ce haben aus Mög­lich­kei­ten zu wäh­len und eige­ne Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Unge­ach­tet des­sen, ob wir die­se auch mit den Augen der Erfah­rung noch gut fin­den, haben wir im Jetzt das Pri­vi­leg selbst­be­stimmt zu leben. Hilf­reich wäre, wenn wir auch den Mut dazu hät­ten.

Schließ­lich wis­sen wir doch trotz allen pani­schen Pla­nens nicht, was uns der nächs­te Tag bringt, ja nicht ein­mal die nächs­te Stun­de. Leben pas­siert ein­fach - unge­plant und plan­los. Leben ist Dasein, jeder Moment neu. Sind wir uns unse­res begrenz­ten Daseins bewusst, soll­ten wir ver­su­chen es mit dem zu fül­len, was uns glück­lich macht.

Ver­än­de­rung beginnt und endet immer bei uns selbst.

Mein Name ist Astrid Feis­trit­zer-Ebner, ich bin psy­cho­lo­gi­sche Bera­te­rin bei comito und ab heu­te geplant plan­los.

Mittwoch 10. Juni 2020